OBWOHL WIR SEIT KINDERTAGEN IM TRAINING SIND, IST ES GERADE DIE KOMMUNIKATION …
… die uns immer wieder in Konfliktsituationen bringt und Rätsel aufgibt. Ein Blick hinter die Kulissen verrät, welche Modelle unbewusst ablaufen, welche Kommunikationsstörer uns in die Quere kommen und was wir für ein souveränes Gespräch brauchen.
Die Kommunikation hat über Jahrzehnte Fachleute aus Therapie, Psychologie, Wirtschaft, Erziehungswissenschaften, Werbung und noch viel mehr Bereichen beschäftigt – weil wir ein Miteinander brauchen, weil wir voneinander abhängig sind und weil die Kommunikation so viele Probleme bereitet: Am Anfang steht das Wort und am Ende oft das Missverständnis.
In meinen Workshops fallen bei der Ideensammlung für eine gelungene Kommunikation häufig folgende Schlagworte: Zuhören, Empathie, Vertrauen, Authentizität, Gesprächsbereitschaft oder etwa Ausdruck von Gefühlen. Tatsächlich sind das wesentliche Zutaten, die wir für eine erfolgreiche Kommunikation benötigen. Und dennoch fällt es uns immer wieder schwer, Dinge auf den Punkt zu bringen oder die Empfängerin, den Empfänger unserer Nachrichten wirklich zu erreichen.
Nun befinden wir uns im Workshop in einem künstlichen Rahmen: ohne Zeitdruck, ohne überschwappende Emo-tionalität, ohne Handy, dafür mit der Bereitschaft zur Reflexion. Aber auch für unsere Alltagswelt brauchen wir genau diese Reflexion, um zu verstehen, warum wir kommunizieren, wie wir es eben tun. Denn während wir kommunizieren, laufen im Hintergrund viele Kommunikationsmodelle ab, die uns gar nicht bewusst sind. Wenn wir sie verstehen und beachten, können wir Kommunikation beeinflussen und verändern.
Sprechen wir die gleiche Sprache?
Betrachten wir die simple Ausgangsbasis eines Gesprächs: Der Sender schickt eine Nachricht und übermittelt diese an den Empfänger. Ob das Gesagte beim Empfänger so ankommt, wie der Sender es gemeint hat, hängt von vielen Faktoren ab. Haben beide das gleiche sprachliche Verständnis? Wird die nötige Aufmerksamkeit geschenkt? Wie stehen die Gesprächsbeteiligten miteinander in Beziehung?
Und während wir uns vorwiegend auf den gesprochenen Inhalt konzentrieren, begleitet uns die paraverbale Kommunikation (Tonfall oder Sprechtempo) genauso wie die nonverbale Kommunikation, die Körpersprache. Wir sprechen mit unserem Gegenüber sozusagen auf drei Ebenen, die der Empfänger wiederum entschlüsselt. Selbst wenn wir nichts sagen würden, so sprechen wir dennoch, denn: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dieses Axiom von Paul Watzlawick, einem österreichischen Philosophen und Psychotherapeuten, verdeutlicht letztendlich die Tragweite und Komplexität von Kommunikation.
Wesentliche Informationen liegen zwischen den Zeilen
Auch wenn wir noch so bemüht sind, sachlich zu sein, wird uns das nicht gelingen. Denn wir stehen immer in irgendeiner Beziehung zueinander. Es gibt neben der Sachebene immer eine Beziehungsebene. Das Eisbergmodell (siehe Bild) in Anlehnung an Sigmund Freud zeigt, dass es einerseits um Zahlen, Daten und Fakten geht, dass sich aber ein Großteil unserer Kommunikation auf der Beziehungsebene abspielt. Hierzu gehören unsere Gefühle, Wünsche, Wahrnehmungen, Absichten, Motive, Antriebe, Ängste oder Stimmungen. Nur 20 Prozent betreffen die Sachebene und damit die verbale Kommunikation, 80 Prozent hingegen befinden sich unterhalb des sichtbaren Teils des Eisbergs, in unserem Unterbewusstsein. Hier sprechen wir häufig nonverbal – durch Körpersprache, Mimik und Gestik.
Wenn unsere Wünsche, Erwartungen oder Bedürfnisse nicht gehört, gesehen oder thematisiert werden, bieten stattdessen Frustration, Kränkung und Verletzung den idealen Nährboden für einen Konflikt. Nicht zuletzt liegt es auch an uns selbst, unseren ganz persönlichen 80 Prozent in der Kommunikation mehr Platz einzuräumen.
Die drei Bs und andere Kommunikationsstörer
Auch wenn wir uns dessen vielleicht nicht bewusst sind, so gibt es Kommunikationsstile, die uns nicht weiterbringen und stattdessen direkt die Beziehungsebene gefährden. Dazu gehören: befehlen, bewerten („Dein Arbeitsplatz sieht aber wieder aus!“) und belehren („So kann man das nicht sehen!“). Außerdem: überreden, warnen und drohen, herunterspielen („Das ist doch kein Weltuntergang!“), Lebensweisheiten („Das haben wir schon immer so gemacht!“), Ironie und Sarkasmus („Schön, dass Sie uns heute schon beehren!“).
Auch das Erfragen oder vielmehr Ausfragen ist mit besonderer Vorsicht zu genießen. „Warum haben Sie das nicht so gemacht, wie wir es vereinbart haben?“ Autsch. Die Frage nach dem Warum treibt das Gesprächsgegenüber in die Enge und in die Rechtfertigung. Besser: „Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass …?“, „Was hätte es gebraucht, um …?“, „Wie können wir in Zukunft …?“ oder „Was denken Sie?“. Die Kommunikationsstörer haben eines gemeinsam: Sie schaffen Distanz und ein hierarchisches Gefälle. Beides steht einer souveränen Kommunikation im Weg.
Grundlagen einer souveränen Kommunikation
Wann sind wir souverän? Ein Erklärungsversuch: Wenn die eigenen Interessen und Bedürfnisse mit geeigneten Mitteln und Strategien beharrlich vertreten werden und gleichzeitig auf die andere Person wertschätzend eingegangen wird.
Denken Sie an die Beziehungsebene:
Das Eisbergmodell zeigt es deutlich. Die Beziehungsebene dominiert die Inhaltsebene. Bei bad vibes wird es für die Sache eng. Kommt man in der Sache nicht weiter, lohnt sich ein Blick auf das Miteinander.
Wählen Sie einen kraftvollen Sprachstil:
Verzichten Sie auf die Modalverben können, müssen, dürfen und denken Sie daran, Ihre Sätze zu vervollständigen. „Könnten wir schon so machen“ ist wenig kraftvoll.
Fragen statt Aussagen:
„Wie sehen Sie das?“, „Was bedeutet das für Sie?“, „Inwiefern ist das wichtig für Sie?“, „Was verstehen Sie konkret darunter?“ Fragen wie diese zeigen nicht nur ein ernsthaftes Interesse an den Bedürfnissen, Gedanken oder Absichten des Gegenübers, sie bringen auch ein Gespräch in Gang und schaffen Raum für Offenheit.
Verwenden Sie positive Formulierungen:
„Dafür bin ich nicht verantwortlich“ mag zwar der Realität entsprechen, wird jedoch als Absage verstanden. Positiver formuliert lautet der Satz: „Das liegt in der Zuständigkeit von …, gerne kann ich Ihnen den Kontakt übermitteln.“
Plausible Behauptungen:
Behauptung und Beweis gehören zusammen. Eine Behauptung ohne Argumente in den Raum zu stellen, wird weniger ernst genommen. Ein Beispiel dazu: „Lösung Nr. 2 ist die effektivere, denn es hat sich gezeigt, dass sich dadurch die Bearbeitungsdauer um einen halben Tag verkürzt.“
Ich-Botschaften:
Sie sind für eine konstruktive Rückmeldung nicht wegzudenken. Je subjektiver die Formulierungen, umso besser. Ich-Botschaften sorgen für Wertschätzung und schaffen Nähe. Sie erfordern allerdings auch Offenheit, Mut und Selbstbewusstsein. Deshalb verwenden wir gerne „man“, „wir“, „du“ oder „es“, obwohl es um die eigenen Interessen geht. Beispiele:
„Du hast da einen schwerwiegenden Fehler gemacht.“ Alternativ: „Wenn ich richtig liege, ist dir da ein Fehler unterlaufen.“
„Du bist nicht richtig bei der Sache.“ Alternativ: „Ich habe den Eindruck, dass du gerade abgelenkt bist. Liege ich damit richtig?“
Folgende Formulierungen helfen beim Einstieg: „Ich habe den Eindruck, dass …“, „Mir ist in jüngster Zeit aufgefallen …“, „Ich würde mich freuen, wenn du in Zukunft …“
Aktiv zuhören:
Aktives Zuhören ist mehr als Zuhören: Aufmerksamkeit und Interesse zeigen, zuhören, aussprechen lassen, Blickkontakt halten, nachfragen, mit eigenen Worten das Gehörte zusammenfassen, verbalisieren (Gefühle und Motive ansprechen), offen sein für neue Perspektiven. Durch die Empathie, die dem Gegenüber damit entgegengebracht wird, lässt sich die Beziehungsebene stärken. Auf der Sachebene erhält man durch aktives Zuhören Informationen, die man anders möglicherweise nicht wahrgenommen hätte. Aktives Zuhören ist das Um und Auf für ein Gespräch. Missverständnisse werden rechtzeitig ausgeschaltet und es besteht ein tieferes Verständnis für den anderen, was wiederum zu einer besseren Verhandlungsbasis führt.
Veränderungen gelingen, wenn uns zunächst einmal bewusst wird, was sich im Hintergrund abspielt. Steigen Sie in die Vogelperspektive und enttarnen Sie Ihre eigenen Kommunikationsmuster oder üben Sie aktives Zuhören. Sie werden bemerken, wie sich der Gesprächsverlauf positiv entwickelt. Wie so oft liegt der Erfolg in der regelmäßigen Übung.