TÄGLICHE ROUTINEN UND GEWOHNHEITEN GEBEN UNS SICHERHEIT.
Es lohnt sich dennoch, mutig zu sein und Neues auszuprobieren: Von den Verlockungen der Gemütlichkeit hin zur persönlichen Weiterentwicklung.
Jeder von uns hat seine individuelle Komfortzone. Hier fühlen wir uns wohl, wir wissen, was uns erwartet, und wiegen uns in Sicherheit. Tägliche Routinen und Gewohnheiten bestimmen maßgeblich unsere komfortable Lebensweise. Unsere Fähigkeiten haben sich bewährt und lassen kaum Raum für Fehler. Die Maxime „Never change a running system“ findet hier ihre Bestätigung und lässt keine Zweifel am eigenen Tun aufkommen.
Die Bühnen der Komfortzonen sind vielfältig: Der tägliche Tratsch in den Pausen mit den gleichen Kollegen, derselbe Platz, der im Yogaraum eingenommen wird, der jährliche Urlaub im bewährten Appartement, eine zurückhaltende Beteiligung, die sich bei den wöchentlichen Teamsitzungen eingespielt hat. Unsere Wohlfühlzone hat sich ihren Platz gesichert, denn sie lockt mit Entspannung, Gemütlichkeit oder Vertrautheit. Was sollte daran verkehrt sein?
Zweifelsohne haben Routinen und wohlbekannte Abläufe ihre Berechtigung. Sie geben uns eine Basis für Verlässlichkeit und schaffen Vertrauen. Wer es sich jedoch allzu gemütlich gemacht hat und seine komfortable Behausung nicht mehr verlässt, zahlt einen Preis. Denn wer erst einmal in der Routine festgefahren ist, ist es auch in seinen Denkmustern. Der Grat zwischen Behaglichkeit und Unbeweglichkeit oder Starre kann schmal sein. Veränderungen sind nun einmal Teil unseres Daseins, ob sie gewollt sind oder fremdbestimmt. Je mehr Komfortzone unser Leben bestimmt, desto herausfordernder werden anstehende Veränderungen. Der Umgang damit hängt außerdem von unserer Persönlichkeitsstruktur ab. So wird ein extrovertierter Mensch kaum darüber nachdenken, die neue Teamchefin anzusprechen, um Feedback einzuholen. Eine introvertierte Persönlichkeit hingegen wird erst einmal abwarten, um auf Nummer sicher zu gehen.
Tatsächlich ist das Bedürfnis nach Wachstum und Entwicklung nur allzu menschlich. Es schlummert eine intrinsische Motivation in uns, uns fortzubewegen, weiterzuentwickeln, Ziele zu setzen und diese zu erreichen. Geist und Körper verlangen auch nach der schönsten Wohlfühlzeit nach neuen Reizen, Erlebnissen und Training. Letztlich kann eine permanente Unterforderung zu Langeweile und zu Niedergeschlagenheit führen, sie kann schließlich zur Belastung werden und Nährboden für eine „innere Kündigung“ sein. Entfaltung und Fortschritt gehen eng einher mit unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit. Sie funktionieren nicht, ohne über den Tellerrand zu blicken und auch nicht ohne Veränderungen – diese sind gewissermaßen das Gegenteil der Komfortzone.
Bevor wir uns auf die Wachstumsphase zubewegen, betreten wir die sogenannte Lernphase. Unsere Grenzen, die wir uns selbst gesteckt haben, weiten sich aus, neue Erfahrungen dürfen gemacht und Fehler können zugelassen werden. Wir überwinden Ängste, stellen fest, was noch alles in uns steckt, unsere Stärken werden geschärft, unser Potenzial ausgeschöpft, unser Selbstvertrauen steigt und unsere Persönlichkeit wird reifer. Das klingt doch gut, oder?
Ganz banal gesagt benötigen wir weniger Energie in der Komfortzone. Hier brauchen wir keine Überlegungen zu neuen Strategien und schalten gewissermaßen auf Automatik. Abläufe sind bekannt, erprobte Verhaltensweisen ebenso. Eingefahrene Systematik und Minimalismus versperren allerdings den Blick für Neues.
Wir können nicht in die Zukunft blicken. Auch wenn wir unsere Vorhaben bestmöglich planen, wird uns eine gänzliche Absicherung nicht gelingen. Viele Faktoren beeinflussen unseren Weg, nicht alle liegen in unserer Hand. Dieser Gedanke kann unsere ursprünglichen Absichten ins Wanken bringen.
Ängste erschweren das Vorwärtskommen. Wenn wir vor Veränderungen stehen, können negative Gedanken oder Befürchtungen auftauchen. Die Fantasie kennt hier kaum Grenzen (Was denken die anderen über mich? Welche Auswirkungen wird mein Verhalten haben?) und kann je nach Persönlichkeitsstruktur stark verunsichern. Wir greifen zu Ausreden und drücken die Stopptaste. Rückschläge gehören ohne Frage zu unserer Entwicklung. Es hängt von unserer Resilienz ab, wie wir damit umgehen. In der Angstphase ist es wichtig, seine Grenzen und Hürden zu kennen und diese liebevoll zu berücksichtigen, um eine Überforderung auszuschließen. Dabei kann es hilfreich sein, Ziele in Teilziele zu zerlegen, um sich nicht zu entkräften, Erfolgserlebnisse sichtbar zu machen und nach einem Etappenziel gestärkt weiterziehen zu können.
Veränderungen erfordern Mut. Noch nicht Ihr Ding? Ein paar Tipps dazu, wie wir Lebendigkeit und Entwicklung stärken können.
Motivation hinterfragen
Um Neues anzugehen, brauchen Sie einen Ansporn, ein Ziel. Warum sollte es sich lohnen, sich auf unsicheres Terrain zu begeben und sich Herausforderungen oder gar Ängsten zu stellen? Welchen Nutzen haben Sie davon? Je klarer die Gründe der eigenen Motivation sind, desto entschlossener gehen Sie voran.
Ziele definieren und aufschreiben
Persönliche oder berufliche Ziele bekommen eine andere Tragweite, wenn Sie sie aufschreiben und abhaken, sobald Sie diese erreicht haben. Ein Erfolgstagebuch kann dabei helfen, die eigene Motivation in Erinnerung zu rufen und vor allem auch den eigenen Fortschritt wahrzunehmen.
Routinen aufbrechen
Ändern Sie Ihren Tagesablauf. Treffen Sie Ihre Freundin in einem unbekannten Kaffeehaus, wählen Sie im Bus einen anderen Platz als gewöhnlich, machen Sie zu einem anderen Zeitpunkt Pause oder wählen Sie eine neue Route für den Spaziergang mit Ihrem Hund. Dieser Ansatz unterbricht die Komfortzone mit jeder ungewohnten Handlung. Damit bietet er ein breites Übungsfeld für den Umgang mit Veränderungen und stärkt für spätere größere Vorhaben.
Ein neues Hobby ausprobieren
Es fällt Ihnen bestimmt eine Beschäftigung ein, die Sie schon immer einmal machen wollten, dennoch ist es nie dazu gekommen. Endlich Radtouren machen, Schwimmen einmal richtig lernen, Schachspielen, Bouldern, Kochen nach TCM? Welche Bilder tauchen auf? Gehen Sie in die Handlung: Recherchieren Sie und erkundigen Sie sich über Kurse und Informationsmöglichkeiten. Sie haben sich für einen Schnuppertag angemeldet? Prima, Sie sind gerade dabei, Ihre Komfortzone zu verlassen.
Fremde Menschen ansprechen
Auf fremde Menschen zuzugehen fällt vielen schwer, ist jedoch ein echter Booster für die Persönlichkeitsentwicklung. Wechseln Sie ein paar Worte mit der Kassiererin in der Bäckerei, fragen Sie jemanden nach dem Weg oder nach der Zeit. Sprechen Sie einen Kollegen an, den Sie noch nicht kennen, suchen Sie das Gespräch mit anderen Teilnehmern bei einer Veranstaltung. Es gibt unzählige Möglichkeiten, die wir nicht wahrnehmen, weil wir auf den ersten Blick keinen direkten Nutzen erkennen können. Wie wäre es mit diesem? Stärkung des Selbstbewusstseins!
Verantwortung übernehmen
Melden Sie sich für eine verantwortungsvolle Aufgabe und zeigen Sie neue Facetten Ihrer Persönlichkeit. Das muss nicht gleich die Teamleitung sein, organisieren Sie vielleicht den nächsten Betriebsausflug, den Ball, die 30-Jahr-Feier, eine Altkleidersammlung oder Lesung.
Worst-Case-Szenario
Was ist Ihre größte Befürchtung, wenn Sie vor einer Veränderung stehen? Spielen Sie das Ergebnis in Gedanken zu Ende durch und machen Sie dabei einen Realitätscheck. Ist dieses Szenario tatsächlich im Bereich der Wahrscheinlichkeit und wenn dies so ist, bietet das Ergebnis wirklich Anlass zum Umkehren? Bei nüchterner Betrachtung ist der Worst Case oft doch nicht so schlimm oder er bietet durchaus Auswege und Lösungen, um das Ergebnis attraktiver werden zu lassen.
Outfit ändern
Unterstreichen Sie Ihren Veränderungsprozess auch im Äußeren. Kleiden Sie sich neu ein, probieren Sie andere Farben aus, besuchen Sie Ihren Friseur – entdecken Sie die Freude am Experimentieren und an Ihrer Wandlungsfähigkeit.
All diese kleinen Veränderungen verhelfen Ihnen zu einem gelasseneren Umgang mit den großen Umbrüchen und zu mutigeren Schritten hin zu einem Leben, das Sie sich wünschen. Sie können noch heute damit anfangen.